Jonas war bettfertig. So nannte das sein Vater immer, wenn er im Schlafanzug und mit geputzten Zähnen im Flur stand und Mama ihn ins Bett bringen durfte. Jonas liebte diese Zeit, denn Mama oder Papa erzählten ihm immer die schönsten Gute-Nacht-Geschichten. Diesen Abend war Mama an der Reihe mit dem Vorlesen der Gute-Nacht-Geschichte. Jonas hüpfte noch ein bisschen im Bett herum und wartete, dass es losgeht.
„Ich muss noch kurz lüften, Jonas, sagte seine Mama und öffnete das Fenster zum Hof sperrangelweit. „Leg dich schon mal hin.“ Jonas kuschelte sich in seine Bettdecke und reckte sich. „Ich stell‘ noch kurz die Spülmaschine an und dann komme ich“, sagte Jonas‘ Mama.
Frische, kühle Nachtluft strömte herein. Jonas schloss seine Augen und atmete tief ein.
Und da geschah etwas ganz Besonderes.
Jonas‘ Mama hatte die Tür zum Zimmer verschlossen, damit es „nicht so zieht“, wie sie immer sagte und klapperte hörbar in der Küche herum.
Da die Tür verschlossen war, bekam von Jonas‘ Eltern niemand mit, dass das Bett, in dem Jonas lag, ganz leise zu vibrieren anfing. Jonas öffnete die Augen und staunte nicht schlecht, als er bemerkte, dass sein Bett langsam zu schweben begann. Es hob sich sanft vom Boden, schwebte in die Luft und glitt lautlos durch das geöffnete Fenster hinaus in die sternenklare Nacht.
Jonas hielt sich ein bisschen verängstigt an seiner Bettdecke fest, aber bald stellte er fest, dass er sich gar nicht fürchten musste. Sein fliegendes Bett war sicher und stabil. Er fühlte sich geborgen und ließ sich von der Magie der Nacht tragen. Das Bett stieg höher und höher und Jonas konnte die ganze Welt von oben betrachten.
Unter ihm leuchteten die Lichter der Stadt wie kleine Glühwürmchen. Er konnte die Häuser, Straßen und Parks erkennen, die ihm so vertraut waren. Doch je weiter er flog, desto mehr neue und aufregende Dinge entdeckte er.
Plötzlich sah Jonas einen riesigen Wald, dessen Bäume wie schlafende Riesen in der Dunkelheit standen. Das Bett glitt sanft über die Baumwipfel hinweg, und Jonas konnte die Eulen hören, die leise in die Nacht hineinriefen. Er sah einen Hirsch, der an einem klaren Bach Wasser trank, und viele kleine Tiere, die sich in ihren gemütlichen Höhlen zur Ruhe begaben.
Weiter und weiter flog Jonas, bis er an einen großen, funkelnden See kam. Das Wasser glitzerte im Mondlicht, und auf der Oberfläche tanzten Lichtreflexe wie kleine Diamanten. Jonas lehnte sich über den Rand seines Bettes und sah, wie Fische fröhlich im Wasser sprangen. Ein freundlicher Frosch hüpfte auf eine Seerose und quakte Jonas zu, als wolle er ihn begrüßen.
Jonas konnte sein Glück kaum fassen. Er fühlte sich wie in einem Traum, doch alles war so real. Das Bett flog weiter und führte ihn über Berge, deren Spitzen wie Silber im Mondlicht glänzten. Er sah Schnee, der im Licht der Sterne funkelte, und spürte die kalte, frische Luft auf seiner Haut.
Während das Bett weiter durch die Nacht glitt, konnte Jonas am Horizont ein zauberhaftes Schloss erkennen. Es war aus purem Kristall und funkelte in allen Farben des Regenbogens. Das Bett setzte seinen Flug fort und landete sanft auf einer weichen Wiese direkt vor dem Schloss. Jonas stieg vorsichtig aus seinem Bett und ging auf das Schloss zu.
Die großen Türen öffneten sich von selbst und gaben den Blick auf eine prächtige Halle frei. Überall waren funkelnde Kronleuchter und strahlende Blumen. In der Mitte der Halle stand eine freundliche Fee mit einem warmen Lächeln. Sie trug ein Kleid aus Mondlicht und Sternenstaub und begrüßte Jonas mit einer sanften Stimme.
„Willkommen, Jonas. Ich bin Luna, die Fee der Nacht. Du bist hier, um die Geheimnisse der Nacht zu entdecken und zu erfahren, dass die Welt voller Wunder ist, selbst wenn es dunkel wird.“
Jonas staunte und folgte Luna durch die Hallen des Schlosses. Überall sah er kleine magische Wesen, die ihn freundlich begrüßten. Es gab Glühwürmchen, die wie kleine Laternen leuchteten, winzige Elfen, die in den Blüten der Blumen tanzten, und sogar eine Gruppe kleiner Drachen, die wie Schmetterlinge umherflatterten.
Luna führte Jonas schließlich in einen wunderschönen Garten, der von Mondlicht erhellt war. Die Blumen leuchteten in allen Farben, und ein sanfter Wind trug den Duft von Lavendel und Rosen zu ihm. Luna zeigte Jonas einen besonderen Baum in der Mitte des Gartens. Seine Blätter funkelten wie Sterne, und in seinen Ästen saßen kleine Vögel, die leise sangen.
„Das ist der Baum der Träume,“ erklärte Luna. „Jede Nacht sendet er Träume zu den Kindern auf der ganzen Welt. Wenn du einen Wunsch hast, Jonas, dann flüstere ihn diesem Baum zu.“
Jonas trat näher an den Baum heran und schloss die Augen. Er dachte an all die wunderbaren Dinge, die er gesehen hatte, und an seine Eltern, die ihm jeden Abend Geschichten erzählten. Dann flüsterte er seinen Wunsch: „Ich wünsche mir, dass ich immer solche wundervollen Abenteuer erleben kann und dass alle Kinder schöne Träume haben.“
Der Baum leuchtete kurz auf, als hätte er Jonas‘ Wunsch gehört. Luna lächelte und führte Jonas zurück zu seinem fliegenden Bett. „Es ist Zeit, nach Hause zu gehen, kleiner Jonas. Deine Eltern warten auf dich.“
Jonas kletterte zurück in sein Bett und fühlte, wie es wieder sanft abhob. Er winkte Luna zum Abschied zu und das Bett glitt lautlos durch die Nacht zurück in sein Zimmer. Gerade als das Bett sanft auf dem Boden landete und sich die Decke um ihn schmiegte, öffnete sich die Tür und seine Mama kam herein.
„Warst du schon am Einschlafen, mein Schatz?“ fragte sie liebevoll und setzte sich zu ihm ans Bett.
Jonas lächelte verschmitzt und nickte. „Ja, Mama, ich hatte den schönsten Traum. Ich bin mit meinem Bett durch die Nacht geflogen und habe so viele wunderbare Dinge gesehen.“
Seine Mama streichelte ihm sanft über die Haare und küsste ihn auf die Stirn. „Das klingt wirklich wunderschön, Jonas. Jetzt schlaf gut und träume weiter von deinen Abenteuern.“
Jonas schloss die Augen und kuschelte sich tief in seine Decke. Er fühlte sich sicher und geborgen, denn er wusste, dass die Magie der Nacht ihn immer begleiten würde. Und während er einschlief, schien es ihm, als könne er das leise Lachen der Fee Luna und das sanfte Flüstern des Baumes der Träume hören.
In dieser Nacht hatte Jonas die schönsten Träume. Er flog erneut über Wälder und Seen, besuchte das kristallene Schloss und spielte mit den magischen Wesen. Doch am meisten freute er sich auf den nächsten Abend, wenn seine Mama wieder das Fenster weit öffnen würde und der Zauber von Neuem beginnen könnte.
Und so schlief Jonas tief und fest, getragen von den wundervollen Erinnerungen an sein fliegendes Bett und die magischen Abenteuer, die ihn in seinen Träumen erwarteten. Gute Nacht, kleiner Jonas, träume süß und fliege hoch!