Greta war ein fröhliches und neugieriges 8-jähriges Mädchen. Eines Tages zog sie mit ihrer Familie in ein altes Haus, das früher ihren Urgroßeltern gehörte. Das Haus war groß und geheimnisvoll, mit knarrenden Böden und langen Fluren, die zu Räumen führten, die seit Jahren nicht mehr betreten worden waren.
Greta liebte es, jeden Winkel des Hauses zu erkunden, und sie verbrachte Stunden damit, auf Entdeckungsreise zu gehen.
Eines Tages, als Greta gerade dabei war, den Dachboden zu durchsuchen, stieß sie auf eine alte Truhe, die unter einer dicken Staubschicht verborgen lag. Neugierig öffnete sie die Truhe und entdeckte darin ein wunderschön verziertes Teleskop.
Es war aus glänzendem Messing gefertigt und mit kunstvollen Mustern verziert. Obwohl Greta es nie zuvor gesehen hatte, fühlte es sich seltsam vertraut an, als ob es auf sie gewartet hätte.
„Wie schön das ist!“, flüsterte Greta, während sie das Teleskop vorsichtig in die Hand nahm. Sie stellte es vor dem kleinen Fenster des Dachbodens auf und richtete es auf den Himmel. Doch anstatt die Sterne zu sehen, geschah etwas Seltsames.
Als Greta durch das Teleskop blickte, sah sie das Haus – aber es war nicht das Haus, wie sie es kannte. Es war das Haus, wie es vor vielen, vielen Jahren ausgesehen hatte.
Im Garten spielte ein kleines Mädchen, das ein altmodischen Kleid trug. Greta konnte es kaum glauben. Sie zog das Teleskop von ihrem Auge weg, doch alles war wieder normal – der staubige Dachboden, die alten Kisten und Möbel.
Vorsichtig blickte sie erneut durch das Teleskop, und wieder sah sie das Mädchen. Es schien, als ob das Teleskop eine Tür in die Vergangenheit öffnen konnte.
„Das muss ich mir genauer anschauen!“, dachte Greta aufgeregt. Also stellte sie das Teleskop erneut ein und konzentrierte sich auf das Mädchen.
Plötzlich spürte sie, wie sich alles um sie herum drehte, und bevor sie es sich versah, stand sie nicht mehr auf dem Dachboden – sie stand im Garten des Hauses, aber nicht im Jahr 2024. Es war das Jahr 1924.
„Wer bist du?“, fragte das kleine Mädchen überrascht, als sie Greta sah. „Und was machst du hier?“
„Ich bin Greta“, antwortete sie. „Ich… ich weiß nicht genau, wie ich hierhergekommen bin.“
Das Mädchen lachte und sagte: „Ich bin Clara. Du bist genau rechtzeitig gekommen. Ich muss bald abreisen, aber ich kann meine Brosche nicht finden. Es war ein Geschenk von meinem Großvater, und ich möchte sie unbedingt mitnehmen.“
Greta spürte, dass dies der Grund war, warum sie hier war. Gemeinsam durchsuchten sie das Haus nach der Brosche.
Nach einer Weile fanden sie sie schließlich – unter einem losen Dielenbrett im Wohnzimmer. Clara war überglücklich und umarmte Greta fest.
„Danke, Greta! Du hast mir sehr geholfen. Ich werde dich nie vergessen!“, sagte Clara.
Bevor Greta antworten konnte, begann sich die Umgebung erneut zu drehen, und plötzlich war sie wieder auf dem Dachboden, das Teleskop noch in der Hand. Ihr Herz klopfte schnell, aber sie war glücklich.
Sie hatte Clara lediglich geholfen, eine Brosche zu finden und doch spürte Greta, dass ihre Hilfe von Bedeutung war.
In den folgenden Tagen konnte Greta an nichts anderes denken als an das Teleskop. Jede Nacht, wenn ihre Eltern schliefen, schlich sie sich auf den Dachboden, um durch das Teleskop zu schauen.
Und jedes Mal wurde sie dann in eine andere Zeit versetzt. Reiste Greta in eine andere Zeit, fühlte sie sich den Menschen, denen sie begegnete, verbunden. Es war, als ob das Teleskop sie durch ihre eigene Familiengeschichte führte. Doch sie wusste auch, dass sie vorsichtig sein musste.
Eines Abends, als Greta das Teleskop wie gewohnt benutzte, spürte sie plötzlich ein seltsames Kribbeln in den Fingern. Als sie hindurchschaute, sah sie nicht die Sterne oder das alte Haus – sie sah eine wunderschöne Landschaft, die sie noch nie zuvor gesehen hatte. Sanfte Hügel, hohe Bäume und ein glitzernder Fluss erstreckten sich vor ihr. Greta verstand auf Anhieb, dass sie sich in einer anderen Zeit und an einem anderen Ort befand.
„Das muss ich erkunden!“, dachte Greta neugierig. Also richtete sie das Teleskop genauer aus, und wieder wurde sie in die Vergangenheit gezogen. Dieses Mal fand sie sich in einem kleinen Dorf wieder, das von der grünen Landschaft umgeben war, die sie durch das Teleskop gesehen hatte. Die Menschen trugen bunte, handgefertigte Kleider und lachten und sangen, während sie sich auf ein Fest vorbereiteten.
Greta entdeckte ein Mädchen in ihrem Alter, das aufgeregt mit einem Korb voller Blumen durch das Dorf lief. „Hallo!“, rief Greta, als sie näherkam.
Das Mädchen drehte sich um und lächelte. „Hallo! Bist du hier zum Frühlingsfest gekommen? Ich bin Anna.“
Greta nickte und lächelte zurück. „Ja, ich bin Greta. Ich habe dein Dorf durch ein besonderes Teleskop gesehen und wollte es mir genauer anschauen.“
„Wie spannend!“, sagte Anna begeistert. „Komm mit, ich zeige dir alles!“
Anna führte Greta durch das Dorf und erklärte ihr, dass das Frühlingsfest eine alte Tradition war, bei der die Dorfbewohner den Frühling begrüßten und die Natur feierten.
Die Menschen stellten farbenfrohe Kränze her, bereiteten köstliche Speisen zu und schmückten den Dorfplatz mit bunten Bändern und Blumen.
„Das ist so schön!“, sagte Greta bewundernd, als sie die Vorbereitungen sah.
Doch dann bemerkte sie, dass Anna plötzlich traurig wurde. „Was ist los?“, fragte Greta besorgt.
„Ich muss heute Abend einen Kranz für die Königin des Frühlings festlich schmücken, aber mir fehlen die schönsten Blumen – die Himmelsblumen. Sie wachsen nur hoch oben auf dem Hügel, und ich habe Angst, alleine dorthin zu gehen“, gestand Anna.
Greta spürte, dass sie hier war, um Anna zu helfen. „Ich komme mit dir!“, sagte sie entschlossen. „Gemeinsam schaffen wir das!“
Anna lächelte dankbar, und die beiden Mädchen machten sich auf den Weg zum Hügel. Der Aufstieg war steil, und der Weg war von dichten Bäumen gesäumt. Doch Greta und Anna halfen sich gegenseitig, und nach einer Weile erreichten sie den Gipfel.
Dort, inmitten eines grünen Feldes, wuchsen die wunderschönen Himmelsblumen. Sie leuchteten in einem sanften Blau und schienen, als hätten sie das Licht des Himmels eingefangen.
„Wow, die sind ja noch schöner, als ich dachte!“, flüsterte Greta ehrfürchtig.
Anna pflückte vorsichtig die schönsten Blumen und legte sie in ihren Korb. „Danke, Greta. Ohne dich hätte ich mich das nie getraut.“
Gemeinsam kehrten sie ins Dorf zurück, wo Anna den Kranz mit den Himmelsblumen schmückte. Als die Königin des Frühlings den Kranz sah, war sie überwältigt von seiner Schönheit.
„Das ist der schönste Kranz, den ich je gesehen habe!“, rief sie begeistert. „Anna, du hast Großartiges geleistet.“
Greta war glücklich, dass sie Anna helfen konnte. Doch als die Sonne begann, über den Hügeln zu sinken, wusste sie, dass es Zeit war, zurückzukehren. „Ich muss gehen“, sagte sie leise zu Anna.
„Ich werde dich vermissen, Greta“, sagte Anna traurig. „Du bist eine wunderbare Freundin.“
Greta umarmte Anna und lächelte. „Vielleicht sehen wir uns eines Tages wieder. Pass gut auf dich auf.“
Mit einem letzten Blick auf das fröhliche Dorf und die bunten Blumenbänder trat Greta zurück, und das Teleskop brachte sie wieder auf den Dachboden.
Sie war erschöpft, aber glücklich. Die Erlebnisse hatten sie tief bewegt, und sie fühlte sich verändert. Das Teleskop hatte ihr mehr gezeigt, als sie je für möglich gehalten hätte.
In den nächsten Tagen dachte Greta viel über ihre Reisen nach. Sie erkannte, dass das Teleskop eine besondere Verbindung zu ihrer Familie hatte. Als sie alte Fotoalben durchsah, entdeckte sie Bilder von Clara und Anna! Also müssen die beiden Verwandte von ihr sein.
Und auf einmal verstand Greta: Ihre Reisen waren kein Zufall. Sie waren Teil ihrer eigenen Geschichte.
Greta beschloss, das Teleskop weiterhin zu nutzen. Allerdings wollte sie nichts überstürzen und jede Reise besonnen angehen. Vorallem würde sie nicht leichtfertig mit den Kräften spielen, die das Teleskop besaß. Greta war bereit für neue Abenteuer, nun weiser und mutiger als zuvor.