Prinzessin Clara sollte eigentlich ihr Zimmer aufräumen. „Phh“, machte Clara. „Kommt überhaupt nicht in die Tüte“, sagte sie zu sich selbst. Den Spruch hatte Clara von ihrer Oma aufgeschnappt. Passte heute ganz gut.
Clara wohnte in einem prächtigen Schloss mit einem riesigen Garten darum. Clara liebte es, zu malen und sie hatte viel Fantasie. Und immer, wenn sie ihr Zimmer aufräumen sollte, schlich sie sich stattdessen in die ehrwürdige Bibliothek des Schlosses und stöberte in den alten Büchern herum.
Was war das? Clara entdeckte hinter uralten Romanen eine Reihe von verstaubten, antiken Malbüchern.
Neugierig nahm Clara ein Buch heraus und blies den Staub von dem ledergebundenen Einband. Das Buch war wunderschön mit goldenen Verzierungen gestaltet. Als sie es aufschlug, fand sie darin Ausmalbilder, die noch niemand ausgemalt hatte.
Neben dem Buch lag eine Kiste mit leuchtenden, farbigen Stiften. Clara spürte, dass diese Bücher etwas Besonderes waren, und beschloss, eines der Bilder auszumalen.
Sie setzte sich an einen großen Tisch, öffnete das Malbuch und begann, eine zauberhafte Waldszene auszumalen. Kaum hatte sie die letzte Blume ausgemalt, begann das Bild plötzlich zu leuchten. Ein magisches Licht erfüllte den Raum, und bevor Clara es sich versah, wurde sie in das Bild hineingezogen.
Clara fand sich in einem wunderschönen, magischen Wald wieder, der genauso aussah wie das Bild, das sie gerade ausgemalt hatte. Die Bäume waren hoch und majestätisch, die Blumen leuchteten in allen Farben des Regenbogens, und die Vögel sangen fröhliche Lieder. Sie konnte ihren Augen kaum trauen.
Plötzlich hörte sie ein Rascheln in den Büschen und sah ein kleines, sprechendes Kaninchen namens Hops hervorspringen. „Willkommen, Prinzessin Clara!“, sagte Hops. „Du hast unser Reich mit deinen Farben zum Leben erweckt.“
„Wo bin ich?“, fragte Clara verwundert.
„Du bist in der magischen Welt deines Malbuchs“, erklärte Hops. „Dieses Buch hat die Kraft, die Bilder, die du malst, zum Leben zu erwecken. Doch unser Wald wurde von einem bösen Grauwolf verflucht, der die Farben stiehlt. Wir brauchen deine Hilfe, um die Farben zurückzubringen.“
„Ein böser Grauwolf?“, fragte Clara, die immer noch versuchte, all das zu begreifen. „Wie kann ich euch helfen?“
„Du bist die Auserwählte“, sagte Hops ernst. „Nur du kannst die Farben, die der Grauwolf gestohlen hat, zurückbringen. Wir müssen zuerst den Regenbogenstein finden. Er ist der Schlüssel zur Wiederherstellung der Farben.“
Clara nickte entschlossen. „Wo finden wir diesen Regenbogenstein?“
„Er ist tief im Herzen des Waldes versteckt“, erklärte Hops. „Der Weg dorthin ist gefährlich, aber ich werde dich führen.“
Gemeinsam machten sich Clara und Hops auf den Weg. Der Wald war voller Wunder. Sie begegneten sprechenden Blumen, die ihnen den Weg wiesen, und flatternden Schmetterlingen, die ihnen Geschichten erzählten. Doch je tiefer sie in den Wald eindrangen, desto grauer und trostloser wurde die Umgebung.
„Wir nähern uns dem Gebiet des Grauwolfs“, flüsterte Hops. „Sei vorsichtig.“
Plötzlich hörten sie ein tiefes Knurren. Vor ihnen erschien der Grauwolf, ein gewaltiges Wesen mit glühenden Augen. „Was wagt ihr es, in mein Reich einzudringen?“, knurrte der Wolf.
„Wir sind hier, um die Farben zurückzubringen“, sagte Clara mutig.
Der Grauwolf lachte höhnisch. „Ihr glaubt wirklich, dass ihr mich besiegen könnt?“
Clara griff in ihre Tasche und holte die leuchtenden Stifte heraus. „Mit diesen Farben kann ich es versuchen“, sagte sie.
Der Grauwolf stürzte sich auf sie, doch Clara war schnell. Sie begann, auf den Boden zu zeichnen. Mit jedem Strich verwandelten sich die grauen Bäume und Blumen um sie herum in lebendige, bunte Kunstwerke. Der Grauwolf wurde von den aufblühenden Farben zurückgedrängt.
„Nein!“, heulte er. „Die Farben!“
Mit einem letzten, kraftvollen Strich vollendete Clara ein prächtiges Bild eines leuchtenden Regenbogensteins. Plötzlich erschien der echte Regenbogenstein vor ihr, strahlend in allen Farben des Spektrums. Der Grauwolf schrie auf und verschwand in einer Wolke aus grauem Rauch.
Der Wald begann sofort, sich zu verändern. Farben flossen zurück in die Bäume, Blumen und Tiere. Alles leuchtete wieder in voller Pracht.
„Du hast es geschafft, Prinzessin Clara!“, jubelte Hops. „Du hast unser Reich gerettet!“
Clara lächelte. „Ich habe nur getan, was ich am liebsten tue – malen.“
Plötzlich spürte sie ein Ziehen und das magische Licht um sie herum begann zu verblassen. Bevor sie es sich versah, war sie zurück in der ehrwürdigen Bibliothek des Schlosses, das Malbuch immer noch in ihren Händen.
„Clara!“, rief eine Stimme. Es war ihre Mutter. „Du solltest doch dein Zimmer aufräumen!“
Clara lächelte geheimnisvoll und schloss das Malbuch. „Ja, Mama“, sagte sie, „ich gehe sofort.“ Doch in ihrem Herzen wusste sie, dass sie immer ein Stück der magischen Welt bei sich tragen würde, bereit, sie jederzeit wieder zu betreten, wenn sie eine weitere Reise in die Fantasie unternehmen wollte.