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Der Weihnachtsbaum der Familie Meyer

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„Das hier, liebe Familie Meyer, ist der perfekte Baum!“ Papa stieß das aus, als würde er ein geheimes, uraltes Familienritual einleiten. Mit triumphierender Geste deutete er auf eine prächtige, kerzengerade Tanne, die mitten auf dem verschneiten Bauernhof stand.

„Ähm… Papa?“ Hanna schielte von unten nach oben, als sie den Baum beäugte. „Der ist… riesig.“ Sie breitete ihre Arme so weit aus, wie sie konnte. „Mindestens so groß wie unser ganzes Haus!“

„Quatsch“, lachte Papa, „er passt perfekt ins Wohnzimmer.“

Mama, die den Zollstock aus ihrer Jackentasche zog, seufzte und murmelte: „Wenn wir das Dach abnehmen, vielleicht.“

Hanna und ihr kleiner Bruder Max liebten diesen Tag – der Tag, an dem sie auf den Bauernhof fuhren, um den Weihnachtsbaum selbst auszusuchen und zu fällen. Hier gab es überall Schnee, freundliche Tiere, und das Beste: Sie durften den Weihnachtsbaum selbst aussuchen.

Doch Papa hatte die unheimliche Fähigkeit, jedes Jahr den größten Baum auf dem Hof zu entdecken.

„Wir brauchen etwas, das durch die Tür passt“, sagte Mama streng und blickte Papa mit hochgezogener Augenbraue an.

„Aber… aber…“, stammelte Papa. „Der Baum ist so perfekt!“ Doch dann, als er in Mamas Augen blickte, seufzte er theatralisch. „Na gut, dann suchen wir eben weiter.“

„Da vorne!“, rief Max, der schon eine gute Weile mit einem Ast im Schnee herumfuchtelte, um eine Spur zu hinterlassen. „Der da sieht aus wie ein… wie ein Dinosaurier!“

Hanna, Mama und Papa liefen zu Max hinüber, wo ein etwas windschiefer Baum stand, der mit seinen Zweigen tatsächlich ein wenig an die Arme eines T-Rex erinnerte.

„Naja“, begann Mama vorsichtig, „er hat… Charakter.“

„Charakter?“, wiederholte Papa skeptisch.

„Ja“, kicherte Hanna. „Er sieht so aus, als hätte er schon ein paar Abenteuer hinter sich.“

„Abenteuer?“, fragte Max neugierig. „Was für Abenteuer?“

„Naja“, überlegte Hanna. „Vielleicht hat er gegen einen riesigen Schneesturm gekämpft! Oder er musste einem Rudel hungriger Eichhörnchen entkommen!“

Max nickte eifrig. „Das ist unser Baum. Ein echter Held.“

„Na gut“, sagte Papa, der den Baum betrachtete, als würde er versuchen, den nächsten großen Hollywood-Blockbuster zu erahnen. „Ein Baum mit Charakter also. Er könnte passen.“

Mama grinste. „Und wir müssen unser Wohnzimmer nicht in eine Turnhalle verwandeln, um ihn aufzustellen.“

„Ich hole die Säge!“, rief Papa fröhlich, während er sich auf den Weg zum Hofwagen machte.

Während Papa sich auf den Baumstumpf vorbereitete, hockten Hanna und Max sich in den Schnee, um den Tieren auf dem Hof „Hallo“ zu sagen. Max‘ Liebling war Berta, die dicke, faule Bauernhofkatze, die immer so aussah, als hätte sie zu viele Weihnachtsplätzchen gefuttert.

Berta trottete gemütlich durch den Schnee und ließ sich von den Kindern streicheln.

„Weißt du, was das Beste am Bauernhof ist?“, fragte Max und kicherte, als Berta sich wohlig räkelte.

„Die Tiere?“, antwortete Hanna, die gerade dabei war, einem Huhn zu erklären, dass es sich nicht in den Schnee legen sollte.

„Nein, der heiße Kakao, wenn wir fertig sind!“, rief Max begeistert.

Hanna lachte. „Ja, und die Plätzchen!“

Mama sah den Kindern zu und lächelte. Diese Tradition, jedes Jahr den Baum auf dem Bauernhof zu holen, war für die Familie immer etwas ganz Besonderes. Es war ein bisschen chaotisch, manchmal auch anstrengend, aber genau das machte es so schön.

Papa kämpfte inzwischen heldenhaft mit der Säge. „Dieser Baum hat… mehr Widerstandskraft als… erwartet!“, keuchte er zwischen den Sägebewegungen. „Aber er wird… unser Wohnzimmer… perfekt schmücken!“

„Oder auf den Kopf fallen“, murmelte Mama grinsend, aber so leise, dass nur Hanna es hörte. Die beiden tauschten einen Blick und mussten kichern.

Endlich, nach einigem Hin und Her – und viel gutem Zureden – fiel der Baum mit einem sanften „Wusch“ in den Schnee. Max jubelte, als wäre es ein großes Ritterturnier gewesen, und Papa wischte sich den Schweiß von der Stirn, als hätte er gerade den Mount Everest bestiegen.

„Er lebt!“, rief Max begeistert.

„Und er passt durch die Tür“, fügte Mama zufrieden hinzu.

Nachdem der Baum sicher im Anhänger verstaut war und sie Berta ein letztes Mal gestreichelt hatten, ging es mit dem Auto zurück nach Hause. Und tatsächlich: Der Baum passte nicht nur durch die Tür, sondern machte sich auch richtig gut im Wohnzimmer.

„Ich hab’s doch gesagt!“, rief Papa triumphierend, während er den Baum in den Baumständer einpasste. „Der perfekte Baum!“

„Du meinst, der perfekte Baum mit einem Abenteuerhintergrund“, sagte Hanna und schmunzelte.

„Genau!“, rief Max. „Unser mutiger, heldenhafter Baum!“

Nachdem der Baum feststand und sich Papa sicher war, dass er nicht umkippen würde, war es Zeit für das Schmücken.

„Kugeln!“, rief Max.

„Lichter!“, rief Hanna.

„Zuerst die Lichter, dann die Kugeln“, sagte Mama in ihrem „Ich habe den Überblick“-Tonfall.

Papa wickelte die Lichterkette um den Baum, was mit vielen „Ups“ und „Hoppla“ und einigen „Halt mal kurz fest“-Momenten einherging.

Max und Hanna taten ihr Bestes, um ihm zu helfen, aber irgendwann verhedderte sich die Lichterkette so sehr, dass es aussah, als hätte der Baum eine eigene Vorstellung von Weihnachtsdeko.

„Es ist ein Baum mit Charakter“, erinnerte Papa alle und trat einen Schritt zurück, um sein Werk zu betrachten.

„Ich finde, er sieht toll aus“, sagte Hanna begeistert. Die Lichter funkelten, und es sah wirklich magisch aus.

Dann kamen die Kugeln – und mit den Kugeln kam der Spaß. Max wollte seine leuchtend rote Kugel unbedingt ganz unten aufhängen, direkt neben dem Baumständer.

„Das ist der beste Platz“, erklärte er mit ernster Miene.

„Und was ist mit meiner glitzernden Kugel?“, fragte Hanna und hielt eine silberne Kugel hoch. „Die muss ganz nach oben!“

„Das ist der Platz für den Stern“, sagte Papa, als wäre das eine unumstößliche Regel.

„Oh ja, der Stern!“, rief Max und sprang aufgeregt auf und ab. „Wann setzen wir den Stern auf?“

„Ganz am Schluss“, erklärte Mama. „Er ist das letzte und wichtigste Stück.“

Nachdem alle Kugeln aufgehängt waren, kam der große Moment. Papa holte den goldenen Weihnachtsstern aus der Kiste, und alle starrten ihn ehrfürchtig an, als wäre er ein Schatz, den man aus einer Höhle geholt hatte.

„Wer darf ihn draufsetzen?“, fragte Max und sah hoffnungsvoll aus.

„Ich will!“, sagte Hanna.

„Wie wär’s, wenn wir ihn gemeinsam draufsetzen?“, schlug Mama vor, um die aufkommende Diskussion zu vermeiden.

Und so hoben Papa und Mama abwechselnd erst Max und dann Hanna hoch, damit sie den Stern gemeinsam auf die Baumspitze setzen konnten. Als der Stern schließlich glänzend auf der Spitze thronte, starrten sie alle andächtig den Baum an.

„Perfekt“, flüsterte Hanna.

„Der beste Baum überhaupt“, fügte Max stolz hinzu.

Papa sah sich um und nickte zufrieden. „Ein Baum mit Charakter und Herz.“

„Und Abenteuer“, sagte Max.

Mama lächelte. „Und Liebe.“

„Genau!“, riefen die Kinder im Chor.

Sie setzten sich auf das Sofa, kuschelten sich in Decken und schauten den Baum an, während draußen die ersten Schneeflocken fielen.

Der Duft von Kakao und Plätzchen erfüllte das Haus, und der Weihnachtsbaum funkelte, als würde er alle Abenteuer, die er erlebt hatte, erzählen wollen.

„Wisst ihr was?“, sagte Papa leise, während er die Kinder an sich drückte. „Ich glaube, das ist der beste Weihnachtsbaum, den wir je hatten.“

„Ja“, stimmte Hanna zu. „Weil wir ihn zusammen ausgesucht haben.“

Max nickte eifrig. „Und weil er ein Held ist!“

Mama lachte leise. „Das nächste Jahr wird es schwer haben, diesen Baum zu übertreffen.“

„Aber das ist doch das Beste an Weihnachten“, sagte Papa. „Jedes Jahr bringt seine eigenen Abenteuer.“

Hanna und Max schauten sich an und grinsten. Sie konnten es kaum erwarten, was das nächste Jahr bringen würde.

Aber für den Moment waren sie einfach glücklich – mit ihrem mutigen, heldenhaften Baum und all den Abenteuern, die sie gemeinsam erlebt hatten.

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